Montag, 12. April 2010

Microsoft bringt eigene Mobiles auf dem Markt

Wie Spiegel Online meldet, macht Microsoft ernst: Am Montagabend hat der Konzern die ersten echten Windows-Handys vorgestellt. Telefonieren ist bei den Modellen allerdings Nebensache: sie sollen den Zugang zu sozialen Netzwerken vereinfachen. Für den Software-Giganten bedeutet das Produkt eine gefährliche Gratwanderung.

Die Gerüchte haben sich bewahrheitet, Microsoft wird zum Handy-Anbieter. In San Francisco stellte Microsoft-Manager Robbie Bach am Montagabend (mitteleuropäische Zeit) Kin One und Kin Two vor, zwei Mobiltelefone die speziell dafür konzipiert wurden, den Zugang zu sozialen Netzen zu vereinfachen. Ab Mai sollen die neuen Smartphones in den USA vom Netzbetreiber Verizon vermarktet werden. In Deutschland ist die Markteinführung erst für den Herbst geplant. Microsofts Partner wird hier, wie in Italien, Spanien und Großbritannien, der Netzbetreiber Vodafone sein.

Die Hardware der Kin-Handys hat Microsoft gemeinsam mit dem japanischen Elektronikkonzern Sharp entwickelt und lässt die Handys nun auch von Sharp herstellen. Die Unternehmen hatten zuvor bereits gemeinsam an den Sidekick-Mobiltelefonen gearbeitet, die T-Mobile vor allem in den USA aggressiv als Geräte zum chatten und mailen vermarktet hat. Peinlich: Im Oktober 2009 machte die Microsoft-Tochter Danger, welche die Sidekick-Dienste für T-Mobile-USA bereitstellt, von sich reden, nachdem sie die Daten von zehntausenden, vielleicht hunderttausenden Kunden verloren hatte. Bei einem Serverumzug verschwanden die Daten in ein digitales Nirvana.

Mit den üblicherweise im Querformat gebauten Sidekicks haben Microsofts Handys aber kaum etwas gemein. Beide Geräte verfügen über einen Touchscreen, sind als Slider-Handys aufgebaut, haben also eine Tastatur, die man unter dem Bildschirm hervorschieben kann.

Handschmeichler und Tastenkünstler

Der deutlichste Unterschied der beiden: Während das Modell One noch problemlos einhändig bedient werden kann und mühelos in jede Hosentasche gleitet , ist das Modell Two deutlich größer und im Querformat gebaut. Es bietet einen höher auflösenden Bildschirm und eine größere Tastatur, auf der sich vermutlich flinker tippen lässt. Für ein Handy, dass vornehmlich für Anwendungen wie Twitter, Facebook und Chats genutzt werden soll, ein entscheidendes Kriterium.

Überdies verfügt das Modell Two über eine höher auflösende Kamera mit Acht-Megapixel-Chip, die Videos auch in HD-Auflösung aufnehmen kann. Im Kin One muss man dagegen mit einer Fünf-Megapixel-Kamera vorlieb nehmen. Einen LED-Blitz für Nahaufnahmen in dunkler Umgebung und einen nicht näher erklärten Verwackelungsschutz haben sie beide.

Total vernetzt

Was die Kin-Handys aber wirklich auszeichnet, ist die Software die auf ihnen läuft. Und die ist eben ganz eindeutig mit Blick auf regelmäßige Nutzer sozialer Netzwerke konstruiert worden, hat einige Anleihen bei dem gerade erst vorgestellten Betriebssystem Windows Phone 7 gemacht. So kann man aus seinen Kontakten im Adressbuch beispielsweise jene markieren, die man selbst für besonders wichtig ansieht. Diese Kontakte werden nicht nur auf dem Startbildschirms des Geräts angezeigt, ihre Updates sollen auch in Sozialen Netzwerken priorisiert, also häufiger abgefragt und bevorzugt auf dem Display angezeigt werden.

Die Handys sammeln dabei laut Microsoft Daten aus Microsofts eigenen Netzwerken als auch aus fremden Netzen wie Facebook, MySpace und Twitter.

Eigene Status-Updates soll man per Fingerzeig am Touchscreen zusammenstellen können. Dabei soll es die Möglichkeit geben, Texte, Bilder, Videos, Weblinks und GPS-Ortsdaten auf einfache Weise zu kombinieren. Erste Demos lassen hoffen, dass es Microsoft tatsächlich geschafft hat, das Zusammenstellen derartig multimedialer Nachrichten in einer für Handys geeigneten Weise aufzubereiten.

Alles in die Wolke

Für die Verwaltung aller Daten, die auf den Kin-Handys gespeichert sind, verlässt sich Microsoft, ähnlich wie bei den Sidekick-Handys, auf webbasierte Dienste, lagert Daten und Anwendungen also in die Datenwolke, die sogenannte Cloud, aus. Via Webbrowser kann man in einer Online-Anwendung namens Kin Studio sämtliche Daten des Handys bearbeiten, betrachten oder ergänzen. Wie viel Speicherplatz dafür zur Verfügung steht, lässt Microsoft bislang noch im Dunkeln. Es soll jedenfalls mehr sein als in den Handys vorhanden ist.

Doch auch darüber, über wie viel Speicher die Kin-Handys verfügen, welche Auflösung ihre Bildschirme bieten und andere technische Details hat Microsoft noch keine Angaben gemacht. Dass die Microsoft-Handys aber per Speicherkarte erweiterbar sein werden, ist bereits im Vorfeld durchgesickert. Kartenhersteller Sandisk hatte bereits damit geworben, dass seine Speicherkarten mit den Geräten des Project Pink, so der Codename der Kin-Handys, kompatibel sei.

Was Microsoft nicht verrät: Als Antrieb dient den neuen Smartphones nVidias Tegra-Chip, den Microsoft schon im MP3-Player Zune HD benutzt. Gerüchte, wonach sogar schon der neue Tegra-2-Chip zum Einsatz kommt, haben kaum Substanz. Der Tegra 2 ist als Doppelkern-Chip für Geräte mit Full-HD-Videoausgabe konzipiert, dürfte deutlich stärker als der A4-Chip in Apples iPad sein und ist eher für Netbooks und Tablet-PC geeignet. Doch auch wenn "nur" der Tegra-1-Chip Verwendung findet, dürfte dessen Leistung noch locker für animierte Desktop-Grafiken und wilde 3-D-Spiele ausreichen. Im Zune HD konnte der Mobilprozessor bereits zeigen, was er drauf hat.

Eine schwierige Situation

Für Microsoft bedeutet die Einführung eigener Handys allerdings auch, dass jetzt potentiell Ärger mit anderen Handy-Herstellern ins Haus steht. Schließlich ist Microsoft mit seinen Handy-Betriebssystemen Windows Mobile und dem künftigen Windows Phone 7 seit langem Zulieferer etlicher Firmen wie Samsung und HTC, die Smartphones auf Basis der Microsoft-Technik bauen.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen